Die 1982 geborene Klägerin K und ihr 2008 geborener Sohn lebten zunächst in einer Wohnung im Zollernalbkreis. Im Januar 2017 suchten sie das Frauenhaus in Tübingen auf. Mit dem Verein „Frauen helfen Frauen e.V. Tübingen“ schloss K einen Mietvertrag über ein Zimmer zu einer täglichen Bruttomiete von rund 20 €. Zunächst bezogen K und ihr Sohn Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (sog. „Hartz IV“). Seit April 2017 bezieht K eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von monatlich rund 566 EUR.
Die Stadt Tübingen verwies K auf die aus ihrer Sicht bestehende örtliche Zuständigkeit des Zollernalbkreises für die Gewährung von ergänzenden Sozialhilfeleistungen. Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sei in der Regel die Kommune oder der Landkreis zuständig, in dem der letzte gewöhnliche Aufenthalt vor Aufnahme in das Frauenhaus gewesen sei.
Der Zollernalbkreis lehnte dann allerdings Ks daraufhin gestellten Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt ab Juli 2017 bis zu Ks Auszug im April 2018 ab, weil die Stadt Tübingen als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2019 hat das Sozialgericht Reutlingen den Zollernalbkreis verurteilt, K und ihrem Sohn Sozialhilfeleistungen in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen, weil es sich beim Frauenhaus um eine geschützte Wohnung handele, die ambulante Betreuungsmaßnahmen zur Verfügung stelle.
Auf die Berufung des Zollernalbkreises hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg die anderslautende Entscheidung des Sozialgerichts Reutlingen aufgehoben und die beigeladene Stadt Tübingen verurteilt, K und ihrem Sohn Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) für den streitigen Zeitraum zu gewähren. Für die Erbringung der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sei die Stadt Tübingen als Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten im streitigen Zeitraum tatsächlich aufgehalten hätten. Hingegen sei nicht aufgrund Sonderregelungen (bei stationärer Leistung oder ambulant betreutem Wohnen) der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich K und ihr Sohn vor der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt gehabt hätten (hier der Zollernalbkreis). Denn mit der Unterbringung im Frauenhaus von K und ihrem Sohn hätten diese keine stationäre Leistung erhalten; das Angebot eines Frauenhauses sei nicht auf die „Versorgung“ der Frauen innerhalb der Räumlichkeiten, sondern auf den nach außen gerichteten Schutz vor Bedrohung angelegt. Dem entspreche die Ausrichtung des Frauenhauses, weil K und ihr Sohn für ihre Versorgung im Frauenhaus vollständig selbst verantwortlich gewesen seien. Sie hätten im Frauenhaus auch keine Leistungen nach dem SGB 12 in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten bezogen. Denn soweit K und ihr Sohn im Rahmen des Frauenhausaufenthalts durch „Frauen helfen Frauen e.V.“ psychosoziale Betreuung erhalten hätten, handele es dabei sich nicht um einen Leistungserbringer, weil es an einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen dem „Frauen helfen Frauen e.V.“ und dem Träger der Sozialhilfe fehle.
Hinweis zur Rechtslage:
Das Urteil betrifft Frauen, die Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem SGB XII haben (also Erwerbsgeminderte und Personen im Rentenalter); nur für diese ist nach § 98 Abs. 1 SGB XII der Leistungsträger am Ort des tatsächlichen Aufenthalts, also am Ort des Frauenhauses zuständig: § 98 SGB XII - örtliche Zuständigkeit – (Auszug) Für Frauen, die dem SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - unterliegen, gilt die Regelung des § 36a SGB II, wonach der Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständig ist (sog. Herkunftsprinzip): 36a SGB II - Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus - |